Remscheid: Ehrenamtskarten für Lebensmittelretter

Für den Oberbürgermeister gab’s im Rathaus einen Geschenkkorb, für die Foodsaver die Ehrenamtskarte.

Remscheid: Ehrenamtskarten für Lebensmittelretter

Ehrenamtskarte NRW | 17 Remscheider Lebensmittel-Retter um die beiden Food-Botschafterinnern Elisabeth Erbe und Mirjam Starke bekamen am 19. November im Rathaus in Remscheid die Ehrenamtskarte NRW überreicht. „Es handelt sich dabei aber nur um eine äußere Form der Anerkennung – ich bin mir sicher, dass niemand von Ihnen das ehrenamtliche Engagement nur deswegen macht“, sagte Remscheids Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz.
Armut hat in Remscheid viele Facetten: Jeder zehnte Remscheider ist auf Transferleistungen nach SGB II (Sozialhilfe) angewiesen. Jedes fünfte Kind lebt in Armut oder ist von Armut bedroht. Und viele Frauen beziehen eine Rente, die unter dem Existenzminimum liegt. Für diese Mitbürger/innen ist die »Remscheider Tafel« mit ihrer kostenlosen Ausgabe von Lebensmitteln eine große Hilfe.

Und was geschieht mit den  Lebensmitteln mit abgelaufenem Verfallsdatum, die von der Tafel aus Hygiene-Vorschriften nicht verteilt werden dürfen? Ab in die Abfalltonne?! Viel zu schade dafür! Zum Glück kümmern sich um diese Lebensmittel seit Oktober 2016 die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der »Initiative Foodsharing«.

Aus einem kleinen Kreis engagierter Frauen um Elisabeth Erbe (links im Bild) wurde seitdem ein bestens (über WhatsApp) vernetztes Team aus 97 aktiven »Foodsavern«, die bei mittlerweile 48 Lebensmittelgeschäften, Discountern und Bäckereien regelmäßig das abholen, was nicht mehr verkauft werden darf, aber den Bedarf der Tafel übersteigt oder dort nicht angenommen werden darf. Nach einem festen Plan fährt jeder Foodsaver seine Kooperationspartner ab, sammelt die Waren ein und verteilt sie anschließend an seine »Kunden«– mal abends, wenn die Fahrer der Tafel nicht fahren, mal am Vormittag, wenn sie ihre Runde schon abgeschlossen haben. Das summierte sich in den vergangenen drei Jahren auf 312.000 Kilogramm!

Foodsaver verteilen das Eingesammelte ganz individuell - hier in der eigenen Küche oder an der Haustür, dort in einer angemieteten Garage. Beliefert wird auch das Obdachlosen-Café an der Schüttendelle, das Mädchen-Wohnheim an der Steinstraße, die Augusta-Hardt-Horizonte gGmbH in Lennep und das Männer-Wohnheim (»Haus Dresen« an der Neuenkamper Straße. Und nichts landet im Abfall. Dafür sorgt das Netzwerk der Foodsaver. Hat der eine seine Abnehmer alle versorgt und etwas ist übrig geblieben, reicht ein Anruf bei einem anderen, und es wird abgeholt und von diesem verteilt. Ganz ohne Berechtigungsschein! Elisabeth Erbe schätzt, dass etwa die Hälfte der rund 2.000 Abnehmerinnen und Abnehmer der Lebensmittel froh sind, dafür ihr geringes Einkommen nicht in einem regulären Geschäft ausgeben zu müssen. Bei der anderen Hälfte handele es sich um Menschen ohne oder mit geringeren Geldsorgen, denen es allerdings gegen den Strich ginge, wenn verwertbare Lebensmittel in der Müllverbrennungsanlage landen würden. Sie kommen in eine der 40 Abgabestationen von Foodsharing in Remscheid nicht nur, um etwas abzuholen, sondern auch, um andere Lebensmittel abzugeben, für die sie gerade keine Verwendung mehr haben.

»Es wird in Remscheid immer noch viel zu viel weggeworfen, was noch verzehrt werden könnte. Aber gut, dass es die Tafel und die Foodsharer gibt«, sagte gestern Abend Oberbürgermeister Mast-Weisz 14 Frauen (Elisabeth Erbe, Michaela Ernzer, Elke Gorka, Angela Heise, Uta Januszek, Ariane Konermann, Tanja Mergen, Margid Pacheco, Antje Sander, Claudia Schäfer, Mirjam Starke, Jaqueline Stiehl, Carmen Vogt und Michaela Weische – verhindert waren Carmelina Saciri und Andrea Schütte-Mohr) und einem Mann (Frank Brauner), als er ihnen als Ausdruck der Anerkennung und Wertschätzung für ihr bürgerschaftliches Engagement Ehrenamtskarten überreichte, die mit verschiedenen attraktiven landesweiten Vergünstigungen verbunden sind.

Eine Ehrenamtskarte kann erhalten, wer sich über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren mindestens fünf Stunden pro Woche bzw. 250 Stunden pro Jahr ohne Vergütung oder pauschale Aufwandsentschädigung  nachweislich freiwillig engagiert hat. Die gestern Geehrten kommen mit fünf Stunden Foodsharing pro Woche nicht aus. »Es sind eher zehn bis 15 Stunden«, berichteten sie. Das ginge manchmal bis in den späten Abend. »Da ruft beispielsweise um 22 Uhr eine Familie mit drei Kindern an, die keine Lebensmittel mehr im Haus haben. Natürlich wird für die die Garage noch einmal aufgeschlossen!«

Hier der prall gefüllte Einkaufswagen, dort Leere im Kühlschrank. Auch in Remscheid sind das zwei Seiten einer Medaille. »Das erleben Sie jeden Tag«, sagte Burkhard Mast-Weisz »mit Dankbarkeit und Respekt für das ehrenamtliche Engagement«. Dieses sei »der Kitt, der die Stadt zusammenhält«.

Deutlich wurde gestern Abend, dass die Foodsharer ihren Besuchern nicht nur Lebensmittel schenken, sondern auch Gesprächszeit und Anteilnahme – »auch das ganz wichtig!«, so der Oberbürgermeister. »Gerade ältere Menschen leiden oft unter Einsamkeit!«