Heimatverein Achenbach: Lebensmittel als Kultur- und Gemeingut

An einem Tisch mit Lebensmitteln bedient ein junger Mann einen älteren Mann.

Heimatverein Achenbach: Lebensmittel als Kultur- und Gemeingut

Engagement des Monats Februar 2021

Engagementpreis NRW | Heimatpflege und soziales Engagement – das gehört für die Engagierten des Heimat- und Verschönerungsvereins Siegen-Achenbach zusammen wie zwei Seiten einer Medaille. Geografisch verortet an einem Schnittpunkt zwischen sozialem Wohnungsbau, ehemaligem Arbeiterviertel mit hohem SGB II-Bezug und einem gut situierten Stadtteil möchte der Verein das Ortsbild ebenso gestalten wie den Zusammenhalt der Menschen. Als das Land im Frühjahr 2020 in den Corona-Shutdown ging, wurden die Vereinsmitglieder aktiv und organisierten zugkräftige Nachbarschaftshilfe. Langfristig möchte der Verein die Menschen im Siegener Westen über die Themen »Lebensmittel als Gemeingut« und »ökologische Nachhaltigkeit« in einen Austausch bringen und sie zu gemeinschaftlichem Handeln motivieren.

Der Heimat- und Verschönerungsverein Siegen-Achenbach e. V. setzt sich seit Jahrzehnten für den Stadtteil und die Menschen in der Region ein. Seine rund 500 Mitglieder kümmern sich im Sinne der Heimatpflege um das Ortsbild, tragen zu dessen Verschönerung bei und organisieren Renovierungsarbeiten – von der Dachsanierung der denkmalgeschützten Friedenskirche in Achenbach bis zum Anstrich der Flure in der ansässigen Hauptschule. Der Verein unterhält ein Heimathaus, in dem zuletzt ein kleines Heimatmuseum als Teil des Historischen Rundwegs Siegen-Achenbach eingerichtet wurde. Auch den Themenwanderweg erdachte und gestaltete der Heimatverein in mehrjähriger Arbeit mit seinen Mitgliedern. Darüber hinaus schafft der Verein regelmäßig Anlässe zur Begegnung mit zahlreichen Veranstaltungen und Festen.

»Als Heimatverein sind wir für die Menschen vor Ort da, besonders für diejenigen in schwierigen Lebenssituationen. Es gehört zu unserer Verantwortung, Nachbarschaftshilfe zu organisieren und das soziale Engagement aktiv zu fördern«, betont der Vorsitzende Günther Langer mit Blick auf die andere Facette der Vereinstätigkeit. Um benachteiligten Menschen im Stadtteil Achenbach und in der Region wirksam helfen zu können, hat der Verein vor einigen Jahren die ihm angegliederte Gemeinnützige Weiterbildungsgesellschaft Achenbach mbH gegründet – und mittlerweile zwanzig Mitarbeiter/innen für die Arbeit in Qualifizierungsprogrammen und verschiedenen sozialen Projekten angestellt. Die »Profis«, zu denen eine zertifizierte Fachfrau für Ernährungsmanagement, eine Sozialarbeiterin ebenso wie ein fachlicher Anleiter aus dem Bereich Landschaft und Gartenbau gehören, unterstützten die Aktiven des Vereins in vielfältigen Projekten – und umgekehrt.

Durch den Ausbruch der Coronavirus-Pandemie rückten mit der Armutsbekämpfung und Lebensmittelverteilung Themen in den Fokus, die der Verein ebenfalls bereits seit längerer Zeit bearbeitet. So betreibt der Verein über die gGmbH vier Sozialkaufhäuser in der Region. Sie sind längst zu Anlaufpunkten für Menschen mit geringem Haushaltseinkommen geworden. Im vereinseigenen Begegnungszentrum am Heidenberg gibt es im Sozialcafé und -restaurant »Net(t)werk« täglich warme Mahlzeiten für kleines Geld. Da hier kein Verzehrzwang herrscht, dient der Ort ebenfalls als sozialer Treffpunkt, an dem die Menschen aus dem Stadtteil ins Gespräch kommen können.

Im Frühjahr 2020 schloss sich der Heimatverein dann mit der Bürgerinitiative SoliNa (Solidarität und Nachbarschaft), Foodsharing Siegen und der Inititative »Siegen isst bunt« zum Bündnis »Siegen hilft« zusammen. Gemeinsam betreiben sie die Website www.navi-siegenhilft.de, mit der Hilfsangebote von ehrenamtlich Engagierten gebündelt werden: von Lebensmittelspenden über Telefonseelsorge und einen Lieferservice für Senior/innen bis zur Unterstützung von Kleinbetrieben bei Behördengängen (Stichwort: Kurzarbeitergeld). Gemeinsam baute das Bündnis »Fairteil«-Standorte auf. Denn es galt, die wichtige Arbeit der Siegener Tafel, die vorübergehend eingestellt werden musste, weiterzuführen und die Versorgung hilfsbedürftiger und obdachloser Menschen in den Zeiten des Corona-Shutdowns sicher zu stellen. Rund um die Uhr können Bedürftige bis heute etwa beim festinstallierten »Fairteiler« auf dem Heidenberg gespendete Lebensmittel aus frei zugänglichen Kühl- und Eisschränken mitnehmen – und das ganz anonym. Für den Betrieb weiterer Standorte etwa in Privatgaragen übernehmen einzelne Engagierte die Verantwortung. Zusätzlich organisieren die Bündnispartner mit Studierenden und vielen weiteren freiwilligen Helfer/innen zweimal wöchentlich eine kostenlose Lebensmittelverteilung vor dem Sozialkaufhaus auf dem Heidenberg.

»Viele Menschen kamen auf uns zu und wollten mithelfen. Aus diesem Engagement entwickelte sich die Erkenntnis, mehr tun zu wollen, ja zu müssen«, schildert Michél Dylong, Schriftführer des Heimatvereins, die damalige Stimmung. »Das Retten und Verteilen von Lebensmitteln ermöglicht eine bedürfnisorientierte Daseinsvorsorge. Wir sollten Lebensmittel als ein Kultur- und Gemeingut wertschätzen und die Möglichkeiten für eine nachhaltige Herstellung ausloten.« Der gemeinsame Verein »Lebensmittel Teilen« wurde noch im weiteren Verlauf des Jahres 2020 gegründet. Mit ihm möchte das Bündnis sein Engagement verstetigen und um die Facette ökologische Nachhaltigkeit ergänzen.

Parallel legte der Verein auf dem Grundstück des Begegnungszentrums mit vielen Helfer/innen aus der Nachbarschaft einen frei zugänglichen Gemeinschaftsgarten für Menschen unterschiedlicher Kulturen, Generationen und sozialer Herkunft an. Schüler/innen, Studierende und interessierte Anwohner/innen lernen seither gemeinsam und voneinander über Biodiversität, ökologischen Landbau, den Ressourcenkreislauf und nachhaltigen Konsum. Durch die regelmäßige Pflege des Gartens möchte der Verein den solidarischen Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl im Quartier stärken.

Denn bei allen Sozialprojekten des Heimatvereins steht eines im Vordergrund: es geht um Kommunikation und Verständigung der Nachbarschaft untereinander. Wenn Menschen aus Gruppen mit geringen Schnittmengen vernetzt und dadurch soziale Ressentiments abgebaut werden, stärkt dies in der Folge den Zusammenhalt vor Ort. Und der ist nicht nur in Krisenzeiten wichtig.

Kontakt und Ansprechpartner:
Heimat- und Verschönerungsverein Siegen-Achenbach e. V.
Michél Dylong
Schriftführer
Achenbacher Straße 115
57072 Siegen-Achenbach
Tel. (0271) 23419361
E-Mail: hvachenbach [at] aol.de (hvachenbach[at]aol[dot]de)
Web: www.navi-siegenhilft.de