„Das kommt gut an!“ – Wie ein Schulprojekt Jugendliche für das Ehrenamt begeistert

„Das kommt gut an!“ – Wie ein Schulprojekt Jugendliche für das Ehrenamt begeistert

Engagement des Monats Juni 2025

Ein Nachmittag in Kürten. Auf dem Flur eines Seniorenwohnheims läuft Anna, 15 Jahre alt, mit einem Buch in der Hand zu einem kleinen Aufenthaltsraum. Sie klopft an die Tür, wird mit einem Lächeln begrüßt. Die ältere Dame im Sessel wartet schon – auf ihre Vorlesestunde. Zwischen den beiden hat sich etwas entwickelt: eine Verbindung über Generationen hinweg. „Ich freue mich immer, wenn du kommst“, sagt die Seniorin leise. Anna setzt sich, schlägt das Buch auf. In der Schule galt sie als schüchtern. Hier blüht sie auf.

Ein Projekt, das mehr ist als Schule

Was Anna macht, ist Teil eines ganz besonderen Angebots der Gesamtschule Kürten: das Schulsozialprojekt „Das kommt gut an!“. Seit 2012 gibt es diese Kooperation zwischen der Schule, der katholischen Kirchengemeinde St. Marien und dem Caritasverband für den Rheinisch-Bergischen Kreis e.V. (Caritas RheinBerg). Begleitet wird es von Gabriele Broich, Fachberaterin für Gemeindecaritas, die das Herzstück und die Koordinatorin des Projekts in Kürten ist. Die Inspiration dazu kam von einem ähnlichen Projekt aus Österreich.

„Ich möchte das Thema junge Caritas bei uns verankern“, erzählt Broich, „und eine Verbindung schaffen zwischen Schule, sozialen Einrichtungen und Ehrenamt.“ Was dabei entstanden ist, geht weit über ein normales Schulprojekt hinaus.

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Engagement des Monats Juni 2025: "Das kommt gut an!"

01:39 Minuten

Zwischen Engagement und Persönlichkeitsentwicklung

Schülerinnen und Schüler der Klassen 8 bis 10 können sich freiwillig für ein Schulhalbjahr engagieren. Etwa zwei Stunden pro Woche verbringen sie in sozialen Einrichtungen: in Kitas, Seniorenheimen, Jugendzentren, bei Menschen mit Behinderung oder auch im Sportverein. Es ist keine AG im klassischen Sinn, sondern ein schulisch eingebettetes Ehrenamt. Am Ende des Halbjahres erhalten die Teilnehmenden ein europaweit anerkanntes Zertifikat für soziales Engagement – ein wertvoller Baustein für jede Bewerbung.

Der Erfolg ist sichtbar: Aktuell nehmen 39 Jugendliche teil. Viele von ihnen entscheiden sich, über das Projekt hinaus in ihren Einsatzstellen aktiv zu bleiben. „Es geht um mehr als nur Hilfe“, sagt Broich. „Es entstehen Beziehungen. Und manchmal auch echte Freundschaften.“

Geschichten, die bleiben

Gabriele Broich erinnert sich an ein Beispiel besonders lebhaft: Eine Schülerin begleitete im Rahmen ihres Einsatzes regelmäßig eine Frau mit mehrfacher Behinderung. Anfangs sprach die Frau kaum. Doch sie war fasziniert von den lackierten Fingernägeln der Jugendlichen. „Da entstand langsam Vertrauen. Die Schülerin ist heute längst aus der Schule raus – aber sie geht immer noch regelmäßig dorthin, um die Frau zu besuchen.“ Für Broich ist das Sinnbild des Projekts: nachhaltig, herzlich, wirkungsvoll.

Ein anderes Mal entdeckte ein Mädchen in einer Tagespflege ihre Leidenschaft fürs Vorlesen. „In der Schule war sie sehr zurückhaltend“, erzählt Broich. „Aber beim Vorlesen blühte sie auf. Die Seniorinnen wollten sie gar nicht mehr gehen lassen.“ Auch die Lehrer merkten eine Veränderung. „Sie wurde offener, selbstbewusster. Das Projekt stärkt. Es wirkt – auf beiden Seiten.“

Gut begleitet – von der Schule ins Leben

Damit die Jugendlichen in den Einrichtungen gut ankommen und begleitet werden, gibt es ein starkes Netz: Ein Projektlehrer ist mit Freistunden ausgestattet und fungiert als fester Ansprechpartner. Hinzu kommt ein externer Projektleiter, der nicht nur den Kontakt zu den Einsatzstellen hält, sondern auch den Jugendlichen zur Seite steht. „Wir lassen sie nicht einfach irgendwo reinlaufen“, sagt Broich. „Es gibt Informationsveranstaltungen, eine Projektmappe mit Einsatzorten, Austauschmöglichkeiten – und bei Bedarf auch individuelle Lösungen.“

Die Plätze sind vielfältig und reichen vom Jugendzentrum bis zur Bibliothek, vom Seniorenclub bis zur Kita. Wer selbst einen Wunschort hat, darf diesen vorschlagen. „Manche wohnen außerhalb von Kürten. Dann schauen wir gemeinsam, was wohnortnah möglich ist.“

Ein Netzwerk, das trägt – und fordert

Ohne gutes Zusammenspiel wäre das Projekt nicht möglich. Die Zusammenarbeit mit der Gesamtschule Kürten ist dabei zentral. Sie hat das Projekt in ihr Schulkonzept integriert – eine Seltenheit. Gabriele Broich betont: „Die Schule ist offen, engagiert und zuverlässig. Das ist ein Glücksfall.“

Doch das Projekt verlangt auch Ressourcen. Neben dem organisatorischen Aufwand gibt es finanzielle Herausforderungen. Die Caritas trägt das Projekt weitgehend selbst. Spenden und Preisgelder, wie die des Elisabethpreises 2013 oder des Missionspreises „Andere Zeiten“ 2017, sichern den Fortbestand. „Anschubfinanzierung bekommt man oft. Aber dann wird es schwierig“, erklärt Broich. „Nachhaltigkeit braucht Unterstützung.“

Trotzdem hält sie durch. Auch, weil der Bedarf offensichtlich ist – und die Wirkung so groß. Selbst während der Corona-Pandemie fand das Projekt statt. Einige Jugendliche suchten sich sogar eigenständig Einsatzorte und meldeten sich im Nachhinein für das Zertifikat. „Das war für mich besonders bewegend“, erinnert sich Broich. „Sie wollten helfen – ganz ohne Pflicht.“

Der Wunsch: Mehr davon

Dass „Das kommt gut an!“ inzwischen ein Leuchtturmprojekt der Caritas RheinBerg ist, überrascht kaum. Im Erzbistum Köln ist es bislang einzigartig. Immer wieder wird Gabriele Broich von Begeisterten angesprochen. Doch oft scheitert die Nachahmung an Ressourcen – fehlende Lehrerfreistellungen, keine Projektleitung, fehlende Mittel. „Es braucht Mut, Überzeugung und ein bisschen Rückenwind“, meint Broich.

Genau diesen könnte die Nominierung und vielleicht sogar die Auszeichnung mit dem Engagementpreis NRW 2025 bringen. Für das Projekt ist sie ein bedeutender Meilenstein. „Wir möchten mit den Jugendlichen dieses Jahr etwas Besonderes machen“, kündigt Broich an. „Vielleicht eine Fortbildung mit einem kleinen Fest. Etwas, das zeigt: Ihr seid wichtig. Euer Engagement zählt.“

Denn genau das vermittelt „Das kommt gut an!“ den Jugendlichen – und der Gesellschaft: Ehrenamt beginnt nicht erst im Alter. Es beginnt dort, wo Menschen Verantwortung übernehmen, anderen begegnen und dabei über sich hinauswachsen. Schritt für Schritt. Woche für Woche.

Und wenn dabei neue Wege entstehen – dann kommt das nicht nur gut an. Dann bleibt es.